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Kompakte Leistungsmodule treiben die Elektrifizierung voran
Irina Huber diskutiert mit Gregory Green, Automotive Marketing Direktor, und Haris Muhedinovic, Principal Field Application Ingenieur bei Vicor, Lösungen für Hochdichte-Leistungmodule zur redundanz und schnelleren Stromsystementwurf.
In der aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur Elektrifizierung kommt der Optimierung des Stromversorgungsnetzes und der lokalen sowie globalen Ladeinfrastruktur eine entscheidende Rolle zu. Aufgrund der komplexen Herausforderungen ist es notwendig, neue Ansätze und kreative Lösungen zu finden. Stromversorgungsmodule mit hoher Leistungsdichte bieten hohe Flexibilität bei der Entwicklung, Skalierung und Anpassung an das heutige Tempo der Elektrifizierung im Fahrzeug. Die Vicor-Experten Gregory Green und Haris Muhedinovic stehen Rede und Antwort zu diesen Themen.
Elektronik automotive: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen bidirektionalem Laden und Smart Charging?
GREEN: Bidirektionales Laden und intelligentes Laden gehen Hand in Hand. Beim bidirektionalen Laden versogt eine Autobatterie eine andere Last mit Strom. Intelligentes Laden bezieht sich auf die Systemintelligenz, die es einem Fahrzeug ermöglicht, die angeschlossene Last zu erkennen und zu verwalten. Betrachtet man intelligentes Laden aus der Sicht eines Ladegeräts, so liefert ein Heimladegerät einen Strom, wann immer es sinnvoll ist. Sind zum Beispiel die Solarzellen auf dem Dach mit dem Internet verbunden, lässt sich leicht der nächste sonnige Tag voraussagen, an dem Energie umgewandelt werden kann und zur Verfügung steht. Das intelligente Ladegerät verarbeitet diese Informationen, wartet und lädt das Fahrzeug zum besten Zeitpunkt, wenn Strom verfügbar ist.
MUHEDINOVIC: Bosch baut eine komplette Infrastruktur für intelligentes Laden auf. Diese kommuniziert mit dem Stromerzeuger, um den aktuellen Strompreis abzufragen, ob das Netz mit ausreichend nutzbarer Energie überversorgt ist und woher die Energie stammt. Smart Charging überwacht also die gesamte Ladeinfrastruktur: Fahrzeuge, Solarmodule, Netzwerke, Kommunikation und Energieversorger.
GREEN: Das geschieht bereits jetzt – in Großbritannien müssen beispielsweise seit Mitte 2022 alle Wallboxen als intelligente Ladegeräte kompatibel sein und über eine Datenanbindung verfügen, um Rückmeldungen zu ermöglichen. Die meisten DC-Ladegeräte von Tesla können dies beispielsweise bereits.
Elektronik automotive: Und wie hängen bidirektionales Laden und »Zwei-Wege-Laden« zusammen?
GREEN: Bidirektionales Laden wird verwendet, um Energie von einer Autobatterie an eine andere Last zu übertragen. Dies kann in Form von Vehicle to Grid (V2G), Vehicle to Home (V2H), Vehicle to Load (V2L) oder Vehicle to Vehicle (V2V) erfolgen.
Derzeit verfügen nur sehr wenige Fahrzeuge über die Fähigkeit, andere Verbraucher mit Strom zu versorgen. Beispiele dafür sind der Nissan Leaf und der Ford F150, die eine Leistung von 3,6 kW Wechselstrom liefern können. Bidirektionales Laden erfordert eine Überwachung, die durch intelligentes Laden gewährleistet wird. Intelligentes Laden hat die Aufgabe, den Stromfluss im System zu überwachen und zu steuern. Es optimiert und ermöglicht V2G, V2H, V2L oder V2V mit bidirektionalem Strom.
Elektronik automotive: Was unternimmt Vicor, um sicherzustellen, dass jedes Elektrofahrzeug mit DC-Schnellladestationen entlang der Autobahn kompatibel ist, sowie um die Reichweitenangst zu beseitigen und die Zukunft der Elektrofahrzeuge zu beschleunigen?
MUHEDINOVIC: Wir sehen die größte Herausforderung in der Kompatibilität. Heute gibt es Fahrzeuge mit zwei Spannungen, 400 oder 800 V – je höher die Spannung, desto schneller kann geladen werden.
Das Problem ist, dass die meisten straßenseitigen Ladegeräte 400 V Gleichspannung zur Verfügung stellen. Für ein schnelles Aufladen benötigen OEMs eine Lösung, die 400 V auf 800 V erhöht. Einige Tier-1-Zulieferer bieten Produkte, die ziemlich sperrig und schwer sind und etwa 15 kg wiegen. Schwere Lösungen beanspruchen allerdings Platz und verringern die Reichweite.
Die Inkompatibilität zwischen 800-V-Batterien und 400-V-Ladegeräten lässt sich durch Batterie-Virtualisierung lösen. Dabei »erkennt« das Ladegerät eine 400-V-Batterie auf einer Seite des Board-Ladegeräts, während die 800-V-Batterie auf der anderen Seite angeschlossen ist. Vicor bietet eine Technologie, die dies ermöglicht. Die kompakten Hochleistungsmodule von Vicor, wie zum Beispiel der Sinus-Amplituden-Wandler (SAC), sind für die Batterie-Virtualisierung geeignet. Sie nehmen nur 3,5 Liter Volumen ein, was zu keinem Anstieg von Größe, Gewicht und Komplexität führt. Der Gewichtsvorteil unterstützt somit eine größere Reichweite.
Elektronik automotive: Wie geht Vicor mit den sich verändernden Anforderungen an die Energieversorgung um – insbesondere vor dem Hintergrund neuer Ansätze für die Stromversorgungsarchitektur?
GREEN: Vicor bietet unter anderem skalierbare Leistung und Spannung. Kompakte Leistungsmodule von Vicor lassen sich parallel schalten, um die Leistung je nach Bedarf einfach zu erhöhen. OEMs müssen so nur einen Teil charakterisieren und qualifizieren – ein Vorteil, der dabei hilft, das System zu differenzieren und schneller auf den Markt zu bringen.
MUHEDINOVIC: Mit den Leistungsmodulen von Vicor kann das Stromversorgungsnetz (PDN; Power Delivery Network) von Fahrzeug zu Fahrzeug sehr unterschiedlich sein, ohne dass dafür Designkenntnisse erforderlich sind oder viel Zeit investiert werden muss. Mit nur einer Handvoll Bauteile können OEMs schnell ein PDN konfigurieren, das speziell für ihre xEV-Plattform geeignet ist. Einfache Konfigurierbarkeit, Flexibilität und Skalierbarkeit sind die Markenzeichen der Leistungsmodule von Vicor. Sie stellen genau die richtige Lösung für die Entwicklung der schnelllebigen Elektrofahrzeuge von heute dar.
Elektronik automotive: Wie wichtig ist die Redundanz der Stromversorgung für die Zukunft der Elektrofahrzeuge?
MUHEDINOVIC: Mit der steigenden Nachfrage nach autonomen Fahrzeugen haben wir auch eine größere Nachfrage nach zuverlässigeren Stromversorgungsarchitekturen festgestellt. Daher liegt ein Schwerpunkt auf der FIT-Rate (Failure In Time). Um die geforderte FIT-Rate für ASIL Level D oder autonomes Fahren mit Sonderfunktionen zu erreichen, fügen OEMs Redundanz hinzu. Dies ermöglicht ihnen, niedrige FIT-Raten zu erzielen. Dafür setzen sie häufig redundante Stromversorgungen ein, um sicherzustellen, dass mindestens eine Stromversorgung zur Verfügung steht, um die vorgesehene Last zu versorgen.
Manchmal verlassen sich die Hersteller nur auf die Batterie und den DC/DC-Wandler. Zusätzlich können sie aber auch zwei unabhängige Pfade anbieten, um die Low-Voltage-/LV-Batterie über die High-Voltage-/HV-Batterie zu versorgen. Dies ist ein wichtiger Faktor für die sichere Redundanz zukünftiger Elektrofahrzeuge. Da immer mehr mechanische Systeme durch Elektrik ersetzt werden (zum Beispiel Steer- oder Brake-by-Wire), muss sichergestellt werden, dass die Systeme auch dann voll funktionsfähig sind, wenn die HV-Batterie ausfällt oder vorübergehend nicht verfügbar ist.
Sollte die LV-Batterie ausfallen, übernimmt der DC/DC-Wandler die Last, und wenn der DC/DC-Wandler ausfällt, steht ein Ersatz bereit, der die Lenk- und Bremsfunktionen des Fahrzeugs aufrechterhält.Es gibt viele Möglichkeiten, dies zu erreichen. Der Vorteil von Vicor besteht darin, dass unsere Architekturen die erforderliche Redundanz mit geringerem Volumen und Gewicht im Vergleich zu Wettbewerbern bieten. Während andere Lösungen beispielsweise bis zu fünf Liter Volumen benötigen , kann Vicor alles in weniger als zwei Litern unterbringen, was die Architektur weiter vereinfacht und Raum spart.
GREEN: Der Sinus-Amplituden-Wandler (SAC) von Vicor ermöglicht eine Batterie-Virtualisierung und kann LV-Batterien aus dem Fahrzeug eliminieren und gleichzeitig eine redundante Stromversorgung gewährleisten. Dies trägt zu optimierten Stromversorgungsnetzen sowie einer leistungsstarken und hocheffizienten Stromumwandlung bei.
Dieser Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht von Electronik-DE.